Die sieben Wunder von Wiener Neustadt
8. Dezember 2020Wo Jesus am Mohnzuzler nuckelt
13. Dezember 2020Wie kommt ein Profi auf neue Buchideen? Was sollten NeoautorInnen auf der Suche nach einem Verleger beachten und wie erreicht man ein breites Publikum? Alfred Schierer ist jahrzehntelang im Verlagswesen tätig und hat 2020 gemeinsam mit Bestsellerautorin Sasha Walleczek einen Sachbuch-Verlag in Wien gegründet. Im Interview erzählt er von seinem neuen Projekt und den Erfahrungen, die er in der Buch-Branche gesammelt hat.
Du hast in diesem wirtschaftlich schwierigen Jahr 2020 gemeinsam mit der Ernährungsberaterin und Bestsellerautorin Sasha Walleczek den Sachbuch-Verlag VG Verlag Gumpendorf in Wien gegründet. Wie kam es zu eurer Zusammenarbeit und wie werdet ihr euch künftig die Aufgaben teilen?
Sasha Walleczek und ich haben schon eine längere gemeinsame Geschichte. Wir haben schon drei sehr erfolgreiche Bücher auf den Markt gebracht mit insgesamt über 300.000 verkauften Exemplaren. Damals war ich bei Ueberreuter im Sachbuch beschäftigt. Wir sind uns zufällig nach längerer Zeit virtuell im Frühjahr über den Weg gelaufen. Sasha Walleczek hat mir erzählt, dass sie ein neues Buch herausbringen will und noch auf Verlagssuche ist. Ich hatte mich gerade mit 1. April als Coach und Berater nach 10 Jahren öbv, wo ich zuletzt Geschäftsführer war, selbstständig gemacht. Und plötzlich war die Idee da, das Buch selbst herauszubringen und einen kleinen, feinen Sachbuch-Verlag zu gründen. Ein Wort ergab das andere und schon waren wir im Tun. Bei diesem Projekt liegen die Projektkoordination und der ganze Bereich Vertrieb bei mir. Sasha schreibt das Buch und um PR und Marketing kümmern wir uns gemeinsam mit unserem PR-Mann Josef Schartner. Ähnlich ist auch eine mögliche zukünftige Aufgabenverteilung denkbar.
„An dem Gelingen eines Werkes arbeiten ganz viele Menschen“
Was waren eure Beweggründe und auf welche Probleme seid ihr bei der Gründung gestoßen?
Der Antrieb war vor allem, dass wir ein Buch herausbringen wollen, das unseren Ansprüchen bezüglich Ausstattung und Qualität gerecht wird. Bücher herauszubringen ist meist sehr eng kalkuliert. Wir dachten nicht in Beschränkungen, sondern in Möglichkeiten. Das soll auch ein Leitgedanke von möglichen weiteren Projekten sein. Bei der Gründung hat uns unsere Erfahrung sehr geholfen. Wir können auf ein gutes Netz von Menschen zurückgreifen, die in unterschiedlichsten Bereichen in der Buchbranche tätig sind. Wir kennen viele Ansprechpartner und Kooperationspartner. So greifen wir bei der Gestaltung auf das alte und sehr bewährte Team zurück. An dem Gelingen eines Werkes arbeiten ganz viele Menschen, da hilft es, wenn man als Autorin einen bekannten Namen hat und als Verleger in der Branche kein ungeschriebenes Blatt ist.
Derzeit besteht euer Programm aus einem Buch (Sasha Walleczek, einfach besser essen). In welche thematische Richtung werdet ihr euer Programm ausbauen und wieviele Bücher wollt ihr nächstes Jahr verlegen?
Wir wollen Bücher auf Augenhöhe und mit Wertschätzung herausbringen. Das ist uns wichtig. Wir wollen unterhalten und informieren, nicht belehren. Wir wollen Bücher veröffentlichen, die gut verständlich geschrieben sind, die einen dort abholen, wo man ist. Wie viele es werden, wissen wir noch nicht. Eher weniger als mehr. Wir möchten langsam und sinnvoll ausbauen und auch einmal eine Saison auslassen, wenn wir nichts Passendes finden. Wir machen uns keinen Druck. Inhaltlich sind wir sehr offen, vom Ernährungsratgeber, über ein politisches Buch, eine spannende Biografie gesellschaftskritische Themen oder andere Ratgeber-Themen ist alles möglich.
Wie werdet ihr euer Vertriebssystem aufziehen und eure Marketingstrategie anlegen?
Ein ganz wichtiger Partner ist MohrMorawa, mit dem wir auch den Vertrieb abwickeln und auf deren Außendienstmitarbeiter wir zurückgreifen. Einige Großkunden werden von uns direkt kontaktiert. Marketingmäßig setzen wir auf gute Pressearbeit und gute Platzierungen im Buchhandel. Auch eine Social-Media-Kampagne ist in Vorbereitung.
„Wesentlich ist von der Kundin und vom Kunden her zu denken“
Du hast unter anderem 15 Nummer-1-Besteller konzipiert und betreut. Wie erkennst du, ob ein Buch prinzipiell das Zeug zum Verkaufsschlager hat?
Sehr gute Frage. Und ich bin auch schon oft danebengelegen. Wichtige Komponenten sind für mich Authentizität. Passt das Thema zu der Autorin, zu dem Autor? Nehme ich ihr das Gesagte/Geschriebene ab? Hat die Person die Möglichkeit, auch medial ein breiteres Publikum zu erreichen? Ganz wesentlich ist von der Kundin und vom Kunden her zu denken. Welche Themen interessieren gerade? Welche Zielgruppe, welches Thema? Wofür bin ich bereit, Geld und Zeit zu investieren? Womit möchte ich mich beschäftigen? Kann ich das Buch in ein, zwei Sätzen so erklären, dass es neugierig macht? Alles Fragen, die man sich stellt. Trotzdem weiß man nie, ob es dann wirklich auch Interesse bei Menschen erzeugt. Das macht das Ganze sehr spannend und immer unberechenbar…
Hast du schon ein Buch abgelehnt, das dann bei einem anderen Verlag verlegt und anschließend zum Bestseller wurde? Wenn ja, erzählst du, was, wann, wo, warum?
Nicht nur eines. Eins, das mir sofort einfällt, ist Gentle Running, das wurde zu einem absoluten Bestseller und es gab da sogar noch viele Nachfolgebände. Aber da waren sicherlich noch einige andere … Das war damals außerhalb meiner Wahrnehmung, da zu diesem Zeitpunkt Laufen für mich kein Thema war. Heute wäre das ganz anders …
„Ich halte Ausschau nach Personen, die für ein Thema stehen“
Ich nehme an, ihr macht euch auch aktiv auf die Suche nach AutorInnen. Wie und wo werft ihr eure Angel aus?
Die Ideen laufen mir im Alltag über den Weg. Während meiner Ueberreuter-Zeit konnte meine Frau den Satz: „Wäre das kein gutes Thema?“ nicht mehr hören. Ein Beispiel dafür war etwa ein Einkauf im Frühling in einer Gärtnerei. Wir sind sehr, sehr lange bei der Kassa angestanden, da kam die Idee des Buchprojektes „Das österreichische Gartenbuch“, denn für die spezifisch österreichischen Verhältnisse gab es bis dahin keine passende Darstellung. Weiters ist es wichtig, Ausschau zu halten, nach Personen, die für ein Thema stehen, denen man zutraut etwas Kompetentes und Essenzielles zu einem Thema zu sagen. Außerdem habe ich das stets so gehalten, dass ich jene Menschen angesprochen habe, die ich persönlich kennenlernen wollte. Egal, ob daraus dann ein Buchprojekt entsteht oder nicht.
Gab es schon einmal ein Lektorat, das du abgebrochen bzw. abgegeben hast? Wenn ja, warum?
Ich muss ja zugeben, ich bin kein guter Lektor. Ich entwickle gerne Bücher, spitze diese gemeinsam mit den AutorInnen zu und überlege mir das Drumherum. Wenn man so will, mache ich die Produktentwicklung, -management und -organisation. Das klassische Lektorat habe ich immer wieder in andere Hände gelegt. Aber ja, es gab schon Projekte, die ich abgebrochen habe, aber nicht viele. Am Anfang jedes Projektes legt man gemeinsam die Zielrichtung fest, die groben inhaltlichen Eckpunkte, die Gestaltung, das vorläufige Inhaltsverzeichnis und noch einige andere Komponenten. Wenn im Projektablauf die Vorstellungen zwischen AutorInnen und Verleger zu weit auseinanderdriften, macht es Sinn zu sagen: „Es ist besser, wenn Sie das Projekt wo anders publizieren, denn von meiner Seite kann ich nicht mehr die Unterstützung geben, die ihr Projekt baucht.“ Dann ist das meist für alle Beteiligten das Beste.
„Was kann ich als Autor dazu tun, dass das Buch eine gute Verbreitung bekommt?“
Du hast sicher auch ein paar allgemeine Tipps für angehende AutorInnen. Worauf sollten sie achten, um ihre Veröffentlichkeits-Chancen zu steigern? Was macht ein Manuskript verkäuflich?
Bei jedem Anschreiben an einen Verlag sollte in ein bis zwei Sätzen klar sein, um was es geht. Es sollte für mich gut begründbar und belegbar sein, warum gerade dieser Autor dieses Thema gut bearbeiten kann, und was an Neuigkeiten oder Unterhaltungswert in dem Buch steckt. Außerdem sollte immer schon mitüberlegt werden: Was kann ich als Autor dazu tun, dass das Buch eine gute Verbreitung bekommt, welche Kontakte habe ich, wo kann ich das Thema gut weitertragen?
Planst du, demnächst selber ein Buch für euer Verlagsprogramm beizusteuern?
Bisher habe in meinen Leben schon drei Bücher mitverfasst u.a. auch das feine Büchlein das nun schon mehr als 15 Jahre verkauft wird: Schierer/Zauner: „Sprechen Sie Österreichisch?“ Aber ich denke, das mit dem Schreiben überlasse ich lieber jenen, die das gut können. Das einzige Thema, wo ich meinen Ansprüchen gerecht werden könnte und etwas Authentisches zu sagen hätte, wäre das Thema Bildung. Nicht zuletzt, weil ich gemeinsam mit einem Kollegen von mir die Initiative Schul-Coaching (www.schul-coaching.at) gegründet habe und wir versuchen, Schulen bei der Entwicklung Richtung modernerer Unterrichtsgestaltung (ua. Digitalisierung) beraterisch zu unterstützen und zu begleiten. Bildung ist ein Herzensthema, ich will nicht, dass wir Kinder zurücklassen. Aber noch ist da Buchmäßig nichts geplant …
2 Comments
Super Artikel und toi Toi Toi
Vielen Dank für das nette Feedback!