Ein Postamt für die Kaiserin
31. Juli 2020Nostalgische Tschaiken-Fahrt auf der Donau
14. August 2020Vereinzelt stehen noch Betten oder Kästen in den von Patina überzogenen Räumen, den alten Glanz kann man immer noch erahnen. Das leerstehende Wahrzeichen der Gemeinde Semmering erstreckt sich auf 18.000 m², Salons und Zimmerfluchten verteilen sich weitläufig auf mehrere Stockwerke. Das Südbahnhotel wurde 1882, damals noch unter dem Namen Hotel Semmering, auf 1.000 m Seehöhe mit zunächst 60 Zimmer eröffnet. Das Haus, von der K. u. k. Südbahngesellschaft in Auftrag gegeben, war das erste Hotel am Semmering und leitete in der zuvor bäuerlichen Region die Blütezeit des Tourismus ein.
Adel, Geldadel und Künstler nächtigten im Südbahnhotel
Der Ort, der bis 1919 zur Gemeinde Breitenstein gehörte, war durch die Semmeringbahn leicht erreichbar geworden. Die wunderschöne Landschaft, gesunde Luft und nun auch die prunkvollen Hotels zogen Adel, Geldadel, Künstler und Prominente, etwa Sigmund Freud und Alma Mahler, an. Bald schon reichten die vorhandenen Zimmer nicht mehr aus, es wurde weiter an- und ausgebaut. 1889 errichtete man die „Dependancen Waldhof“ für die etwas weniger wohlhabenden Klientel. Das Palasthotel, auch „Zweites Südbahnhotel“ genannt, ergänzte das Ensemble ab 1903. Mit seinen nun grün gedeckten Zwiebeltürmen ist der Historismus-Bau seitdem der Blickfang des Hotels.
Im Hotel wuchs eine komplette Infrastruktur heran
Zehn Jahre später wurde das Haus adaptiert und durch einen Übergang mit dem Waldhof verbunden. Im Laufe der Jahrzehnte expandierte und optimierte man konstant, eine komplette Infrastruktur wuchs im Hotel heran. Seit 1908 gab es ein Post- und Telegrafenamt, die Pferdestallungen wichen einer Autogarage, ein paar Jahre später integrierte man eine Bürgerstube und ein Kino. In seiner höchsten Ausbaustufe verfügte das Hotel über rund 350 Gästezimmer. Im Sommer entwickelte sich das Semmering-Gebiet, das ob seiner Magie von Literaten gerne als Zauberberg bezeichnet wird, zu einem beliebten Erholungs- und Kurort, in der kalten Zeit war es ein Eldorado für Wintersportler. Im damals weitläufigen Areal des Südbahnhotels befanden sich Skiwiesen und Eislaufplätze, eine Bob- und eine Naturrodelbahn, Skeletonbahnen und sogar eine Skisprungschanze. 1932 wurde ein Hallenbad eröffnet, das um einen parkähnlichen Freibereich erweitert werden konnte: Im Sommer wurden die Doppeltüren geöffnet und die Gäste genossen die frische Bergluft
Dornröschenschlaf nach dem Niedergang
Der Zweite Weltkrieg änderte alles. Die Nazis vertrieben die Juden, hochrangige Offiziere okkupierten ihre Villen. Das Südbahnhotel selbst diente als Lazarett. In der Besatzungszeit zog die Rote Armee ein und nutzte es als Hauptquartier. Nach dem Krieg hat man den Hotelbetrieb zwar wieder aufgenommen, der alte Glanz verblasste jedoch mit der Jahrhundertkatastrophe. Ab Ende der 1960er-Jahre wurden immer mehr Teile des Betriebs stillgelegt oder verkauft, der älteste Teil des Gebäudes ist seit 1974 ein Wohnhaus. 1976 nächtigte im Hotel der letzte Gast. Der Kultur.Sommer.Semmering nutzt seit 2017 Teilbereiche des Südbahnhotels als Spielstätte, die nicht bespielten Räume sind für die Öffentlichkeit derzeit nicht zugänglich. Im Waldhofsaal finden heute Lesungen von honorigen Künstlern statt.